
Trainer Nico Jänecke trainiert seit seinem sechsten Lebensjahr verschiedene Kampfkünste. Heute 37 Jahre kann er auf einen ereignisreichen Bildungsweg zurückblicken, der durch die Leidenschaft für seinen Sport geprägt ist. Er unterstützt seit Kurzem eine Jugendbildungseinrichtung in der Arbeit mit Jugendlichen, die schwierige Zeiten hinter sich haben. Hier wird nach dem Motto gearbeitet »Jeder Mensch verdient eine zweite Chance«. Das Interview verrät, was es braucht, um daran zu glauben.
Christian Köhler: Lieber Nico, wie hat eigentlich alles angefangen?
Nico Jänecke: Ich hab es erst mit Fußball versucht, hat irgendwie nicht geklappt, ich hab das Tor nicht getroffen. Da hab ich schnell die Lust verloren und dann bin ich in die Kampfsport-Abteilung …
Mit Ringen angefangen führte ihn der Weg über Kung Fu zu Jiu Jitsu, Kickboxen, Muay Thai, Krav Maga und dergleichen mehr. Nico hat zahlreiche Graduierung und Wettkampferfolge vorzuweisen, unter anderem ist er mehrfacher Landesmeister im Ju Jutsu und deutscher Meister für Thaiboxen der WBC. Viele Trainerlizenzen, Fachübungsleiterlizenzen und Graduierungen weisen ihn als fähigen Übungsleiter aus: erster Dan Kickboxen, erster Dan Thaiboxen, dritter Kyu im Kung Fu, zweiter im Champions Kung Fu, sechster Khan Muay Thai, Instructor im Krav Maga und der dritte Dan in Jiujitsu ist in Bearbeitung.
Spätestens nach den ersten Trainererfahrungen war für mich klar: Kampfsport ist meins, weil ich vielen Kindern und Neulingen was beibringen konnte. Es hat auch mir was gebracht, es hat mich geformt. Rein körperlich, aber auch von der Psyche her. Ich hab Dinge ganz anders wertgeschätzt.
Seine eigene Biographie hat diese Entwicklung nicht unbedingt begünstigt. Als das Probetraining beim Kung Fu beendet ist, reicht das Budget des Kinder- und Jugendheims nicht, um ihm und seinem Freund diese »Außenaktivität« zu ermöglichen. Aber Nico hat Glück:
Der Meister sagte zu mir »Pass auf, ihr habt hier ein tolles Training gemacht, ihr seid mit Lust und Spaß dabei, ihr seid fähig, ich geb euch die Möglichkeit, kostenlos bei mir zu trainieren, unter der einen Voraussetzung: Wenn ihr so weit seid, übernehmt ihr das Erwärmungstraining, wenn ich mal etwas später kommen sollte. Oder wenn ich euch sage ›Leitet mal das Jugendtraining‹, dann macht ihr das.«
Von da an geht sein Weg weiter auf dem Kampfsportpfad und führt ihn zu besagten Lizenzierungen und formt ihn als Person.
Nico Jänecke: Es kostet halt viel Geld, ist sehr zeitaufwendig, aber es macht halt Spaß zu unterrichten und selbst unterrichtet zu werden. Es macht ruhiger und man weiss halt, man könnte sich verteidigen in gewissen Situationen, nicht nur körperlich, sondern auch verbal.
Dieses Wissen möchte er weitergeben und anderen Menschen dieselben Chancen geben, die auch er erhalten hat. Da verwundert es nicht, dass er manchmal auch der Welt den Gefallen zurück erweist und ab und zu auch Kindern, die »aus ärmlichen Verhältnissen kommen« die »Möglichkeit gibt, kostenlos bei ihm zu trainieren«.
Sein beruflicher Werdegang führt ihn min den Justizvollzug, wo er seine Erfahrungen auch handfest anwenden können muss. Sein Weg hat ihn sensibilisiert für den Umgang mit Menschen, sagt er. Er »kann mit Kindern eher umgehen als jemand der studiert hat aber nur in Büchern drin gesteckt hat und versucht den Kindern dann irgendwas vom Leben zu erzählen.« Das ist auch für die Eltern verblüffend, da hört man so manches Erstaunen: »Mensch, hätt‘ ich nie gedacht, dass du so mit den Kindern kannst.«
Nico Jänecke: Viele Kinder sind auch zu mir gekommen, weil andere Vereine die abblitzen lassen haben. Zum Beispiel Ein paar mit der Diagnose ADHS, von denen Andere sagen, sie könnten mit denen halt nicht arbeiten. Ich hab gesagt: »Bringt sie vorbei, wir machen das.« Jetzt sind sie durch den Sport ruhiger geworden. Sie müssen sich nicht rumprügeln, wissen aber auch sich zur Wehr zu setzen und werden beispielsweise nicht mehr gemobbt.
Auch bei körperlichen Leiden, weiß Nico zu berichten, hilft sein Trainingsprogramm. So zum Beispiel bei den Kindern, die nach einiger Zeit kein Asthmaspray mehr brauchen, nachdem sie Schritt für Schritt körperlich aufgebaut haben. Von den Fortschritten profitieren die Kinder also doppelt, aber die Anstrengung bleibt.
Christian Köhler: Wie anstrengend ist das Training?
Nico Jänecke: Klar, die Kinder müssen sich erstmal rein finden: was wollen sie, wollen sie das überhaupt machen oder testen sie sich erstmal rein. Aber wenn jeder ungefähr weiss, in welche Richtung es gehen soll, sollten sie natürlich auch lernen, zu beißen. Sie sollten wissen warum sie es machen, dass es nicht immer einfach ist, dass man schwitzen kann und Muskelkater bekommt.
Christian Köhler: Traut sich das heutzutage jeder zu?
Nico Jänecke: Trainiert wird nach dem Motto: Kann ich nicht: gibt’s nicht; Kann ich noch nicht: gibt’s. Und durch regelmäßiges Üben schaffen die es dann auch, egal ob groß oder klein. Wir sind eine große Kampfsportfamilie, wir wollen alle das gleiche: wir wollen sportlich aktiv sein, wir wollen uns bewegen, wir wollen Leuten zeigen, was sie aus ihrem Körper machen können. Aber jeder der uns kennenlernt, lernt uns so kennen wie wir sind. Wir verstellen uns nicht, wir sind so wie wir sind. Bei uns ist jeder willkommen.
Christian Köhler: Wo setzt du pädagogische Schwerpunkte?
Nico Jänecke: Der Respekt sollte bei allen gleich sein, egal ob von kleinen Kindern angefangen bis zu den Großen. Jeder sollte den Anderen respektieren, alle sollen merken, dass jeder nur ein Mensch ist. Wenn jemand absichtlich verletzt, dann wird das Training auch mal komplett umgestellt, dass die Betreffenden auch mit uns Trainern trainieren dürfen, um ihnen mal ihre Grenzen aufzuzeigen.
Mit seinen extensiven Erfahrungen im Kampfsport, seiner beeindruckenden physischen Präsenz und seinem kompetenten Auftreten gelingt Nico das sehr gut. Auch die »harten Jungs« hätten bei ihm einen schweren Stand und können ihn wahrscheinlich auch deswegen als Vorbild akzeptieren. In seiner Arbeit spiegelt sich sein Lebensweg und zeigt so Alternativen auf, die inspirieren können, auch bei widrigen Umständen etwas aus seinem Leben zu machen.
Christian Köhler: Nico, ich danke dir für das Gespräch.